Spiele entste­hen nicht von Zauber­hand, und sie wer­den auch im Nor­mal­fall nicht müh­e­los von einzel­nen Genies erschaf­fen. Spieleen­twick­lung ist harte Arbeit, die oft große Teams und viel Zeit beansprucht. Bei­des bleibt für Spieler*innen unsicht­bar, weil Ver­traulichkeitsvere­in­barun­gen (sog. „NDA”) den Blick hin­ter die Kulis­sen ver­stellen und irreführende Wer­bekam­pag­nen die Stu­dios wie Trau­mar­beit­splätze wirken lassen. Oft führt das zur Vorstel­lung, die Arbeit an Spiele müssen genau­so viel Spaß machen, wie sie zu spielen.

Das entspricht nicht der Real­ität viel­er Entwickler*innen: Ihre Arbeits­be­din­gun­gen sind häu­fig geprägt von prekären Arbeits- und Beschäf­ti­gungsver­hält­nis­sen. Auch finanziell erfol­gre­iche Teams großer Pub­lish­er kön­nen sich ihres Jobs nicht immer sich­er sein, wie ein aktueller Fall zeigt: Trotz steigen­der Ein­nah­men feuert Activi­sion Bliz­zard während der Coro­na-Pan­demie aus Kosten­grün­den Mitar­beit­er, während sich Activi­sions CEO selb­st gle­ichzeit­ig einen Bonus von 200 Mil­lio­nen US-Dol­lar auszahlt. Hohe Anforderun­gen und fehlende Anerken­nung, in den schlimm­sten Fällen auch sex­uelle Beläs­ti­gung und Diskri­m­inierung brin­gen Men­schen dazu, die Spielein­dus­trie schnell wieder zu ver­lassen. Viele Spieleentwickler*innen ver­brin­gen deshalb nur wenige Jahre in der Branche, wie Umfra­gen von Indus­trie­ver­bän­den zeigen.

Die let­zten Jahre haben unter anderem die Reporta­gen von Journalist*innen wie Jason Schreier ver­mehrt Skan­dale aufgedeckt: Über­stun­den bei der Entwick­lung von “Red Dead Redemp­tion 2”, Mob­bing bei Quan­tic Dream, sex­uelle Beläs­ti­gung bei Ubisoft und nun auch erneut Crunch bei CD Pro­jekt Red, auch wenn das Stu­dio Besserung ver­sprach. Crunch, also die Über­ar­beitung von Entwickler*innen durch lange Phasen mit mas­siv­en, nicht-optionalen Über­stun­den, sorgte zulet­zt auch für Kri­tik an “The Last of Us Part 2”. Trotz monate­langem Crunch erhielt der Titel bei den Game Awards 2020 mehrere Preise, darunter für die beste Game Direc­tion – ein Preis, der nicht nur für die kreative Leitung, son­dern auch für das Man­age­ment des Pro­jek­ts vergeben wird.  Wie Ian Walk­er aus­führte, passt das aber wohl kaum zu den Arbeits­be­din­gun­gen bei Naughty Dog.

All das ist nicht neu. Bere­its 2004 löste der offene Brief der Lebens­ge­fährtin eines EA-Mitar­beit­ers unter dem Namen “EA-Spouse” Diskus­sio­nen aus. Was aber neu ist, ist die Regelmäßigkeit, mit der solche aus­beu­ter­ischen Prak­tiken öffentlich werden.

Dass Spiele auch unter fairen Arbeits­be­din­gun­gen entste­hen kön­nen, zeigen vor allem Indie-Stu­dios. So unter­sagt das vielfach aus­geze­ich­nete Stu­dio Klei (“Don’t Starve”, “Oxy­gen Not Includ­ed”) Crunch grund­sät­zlich, damit seine Entwickler*innen mehr Zeit für ihre Fam­i­lien haben. Und “Hades”-Entwickler Super­giant Games verpflichtet seine Angestell­ten nicht zu Über­stun­den, son­dern zu Urlaub. Einen anderen Weg geht das Stu­dio Motion Twin (“Dead Cells”), das als Genossen­schaft (Co-Op) gegrün­det wurde. Das bedeutet, alle Mitarbeiter*innen sind gle­icher­maßen am Erfolg der pro­duzierten Spiele beteiligt.

Wie diese Stu­dios demon­stri­eren, sind andere Struk­turen und Arbeits­be­din­gun­gen in der Spielein­dus­trie möglich. Allerd­ings scheinen große Stu­dios bish­er kein Inter­esse an Verän­derun­gen zu haben. Zwar bemühen sich Gew­erkschafts-Ini­tia­tiv­en wie Game Work­ers Unite und CODE-CWA darum, stoßen dabei allerd­ings auf großen Wider­stand aus der Branche – nicht zulet­zt bei Stu­dios wie CD Pro­jekt Red und Quan­tic Dream, die für ihre unhalt­baren Arbeits­be­din­gun­gen bekan­nt sind.

Keinen Pixel steht in Solidarität mit den Arbeiter*innen der Spieleindustrie!

Wir fordern ein Ende dieser Zustände. Beste­hende Arbeitss­chutzge­set­ze müssen durchge­set­zt wer­den, da viele in der Branche übliche Prak­tiken bere­its Geset­zes­brüche darstellen. Langfristig muss auch eine faire Beteili­gung der Entwickler*innen an den Gewin­nen der von ihnen pro­duzierten Spie­len gewährleis­tet wer­den, damit nicht weit­er­hin nur Aktionär*innen und Man­age­ment von den aus­beu­ter­ischen Arbeitsver­hält­nis­sen prof­i­tieren, son­dern auch Entwickler*innen sowohl fair behan­delt als auch fair bezahlt werden.

Dass aber immer wieder die Schuld bei den Betrof­fe­nen gesucht wird, ist untrag­bar. Zulet­zt wur­den Entwickler*innen für das unfer­tige Cyber­punk 2077 ver­ant­wortlich gemacht und per­sön­lich ange­grif­f­en. Die Schuld trägt aber das Man­age­ment solch­er Fir­men sowie deren Aktionär*innen, die das Pro­jek­t­man­age­ment leit­en, auf unre­al­is­tis­che Veröf­fentlichungs­dat­en beste­hen und maßge­blich finanziell profitieren.

Wir fordern außer­dem eine kri­tis­chere Berichter­stat­tung. Spiele­jour­nal­is­mus darf aus­beu­ter­ische Arbeits­be­din­gun­gen nicht uner­wäh­nt lassen, als Rand­no­tiz abtun oder gar als notwendig recht­fer­ti­gen. Damit trägt der Spiele­jour­nal­is­mus, aber auch Streamer*innen und Influencer*innen, zum Fortbeste­hen von aus­beu­ter­ischen Arbeitsver­hält­nis­sen bei. Stu­dios soll­ten für Crunch nicht mit Höchst­wer­tun­gen und Game Awards belohnt, son­dern laut und öffentlich kri­tisiert wer­den. Spiele­jour­nal­is­mus kann zwar die Ver­hält­nisse in der Indus­trie nicht verän­dern, kann aber sehr wohl Druck ausüben.

Zulet­zt dür­fen auch wir selb­st als Spieler*innen nicht weit­er die Augen vor diesen Tat­sachen ver­schließen. Erst recht darf nicht den Betrof­fe­nen die Schuld an diesen Zustän­den oder an unfer­ti­gen oder ver­bug­gten Spie­len gegeben wer­den. Die Verursacher*innen sitzen im Man­age­ment der Fir­men. Sie set­zten auf ihrer Jagd nach Prof­it unmögliche Dead­lines, die auf der einen Seite zu Crunch beitra­gen und auf der anderen Seite in unfer­ti­gen und ver­bug­gten Spie­len resul­tieren. Dadurch nehmen sie die Gefährdung der physis­chen und psy­chis­chen Gesund­heit ihrer Arbeiter*innen in Kauf.

Wir haben auch als Konsument*innen eine Verantwortung.